Elektronische Rechnungen sind die treibende Kraft für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen!
Auf europäischer und nationaler Ebene sind Gesetzgebungsprojekte, politische Diskussionen und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung digitalisierter und transparenter geworden, was keine anderen Schlussfolgerungen zulässt: Das strukturierte Datenformat elektronische Rechnung hat ein hohes Digitalisierungspotenzial im Finanz- und Rechnungswesen . Papierrechnungen oder PDF-Rechnungen sind nicht mehr aktuell.
Die Richtlinie 2014/55/EU der Europäischen Union ist die wichtigste treibende Kraft für die elektronische Abrechnung. Ziel ist es, den grenzüberschreitenden Handel im europäischen Binnenmarkt durch elektronische Rechnungen zu stärken. Zum einen fordert sie schrittweise, dass öffentliche Auftraggeber auf Bundes- und Landesebene bis spätestens 18. April 2020 elektronische Rechnungen annehmen und verarbeiten können. Besonders wichtig: Nach der Elektronischen Rechnungsverordnung (ERechV) sind ab dem 27. November 2020 auch alle Auftragnehmer des Bundes verpflichtet, Rechnungen elektronisch zu übermitteln. Daher ist davon auszugehen, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben wird und auch die Nutzung elektronischer Rechnungen bei den B2B-Marktteilnehmern in Zukunft zunehmen wird.
Letztlich sollte die elektronische Rechnung nicht nur aus der Sicht der Wertschöpfungskette, sondern auch aus der Sicht der Gesamtstruktur des Unternehmens und der gesamten Financial Supply Chain betrachtet werden.
Sie kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den digitalen Reifegrad des eigenen Unternehmens zu steigern und damit das erforderliche Rüstzeug für den Wettbewerb in der Zukunft zu liefern.
Die vom Bitkom zusammengestellten Merksätze sollen einen kurzen Einblick in die Compliance- Anforderungen im Kontext der elektronischen Rechnung und den angrenzenden Geschäftsprozessen geben. Dabei wurde die Neufassung der GoBD vom 28. November 2019, in den gerade die innovativen Prozesse, wie etwa das »Mobile Scannen« sowie Vereinfachungen in Bezug auf das »Ersetzende Konvertierungen« geregelt sind, mitberücksichtigt.3 In der vorliegenden Version wurden ebenfalls Änderungen aus dem Jahressteuergesetz 2020 eingepflegt, die aus der Anpas- sung des § 146 Abs. 2a Satz 1 AO resultieren.
1. Alle Rechnungen sind gleich zu behandeln
Rechnungen in Papierform und elektronische Rechnungen sind umsatzsteuerrechtlich grund- sätzlich gleich zu behandeln. Alle Rechnungen müssen die umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben erfüllen, insbesondere die Gewährleistung der Kriterien »Authentizität«, »Integrität« und »Lesbarkeit«. Darüber hinaus müssen die Pflichtangaben (siehe Punkt 6) vollständig und richtig enthalten sein. Die in diesem Dokument formulierten Merksätze gelten damit im Grundsatz sowohl für elektronische Rechnungen als auch für Papierrechnungen.
Über den Empfang elektronischer Rechnungen muss allerdings Einvernehmen zwischen Rechnungsaussteller und -empfänger bestehen. Die Zustimmung des Empfängers muss nicht schriftlich erfolgen, es kann auch genügen, wenn er elektronische Rechnungen akzeptiert und das Verfahren damit stillschweigend (konkludent) billigt.
2. Elektronische Rechnungen sind technologieneutral
Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, deren Erstellung, Übermittlung und Empfang auf elektronischem Weg erfolgt – sowohl für das Format, in dem die Rechnung erstellt wird, als auch für den Weg, auf dem sie übermittelt wird, gilt Technologieneutralität und Wahlfreiheit. Für die Anforderungen der unterschiedlichen Zielgruppen bestehen am Markt verschiedene Rechnungsformate, die sowohl strukturiert als auch unstrukturiert ausgestaltet sein können. Als unstrukturiert bezeichnet man eine simple PDF-Rechnung, die in der Praxis oft einer E-Mail angehängt wird. Um jedoch die Daten medienbruchfrei in die Unternehmensprozesse einlesen, prüfen und weiterverarbeiten zu können, bedarf es strukturierter Daten, die meist in Form eines XML-basierten Datensatzes vorliegen.
Die gängigsten Formate in Deutschland sind die XRechnung und ZUGFeRD, die sich wie nachfolgend dargestellt unterscheiden:
- Bei der XRechnung handelt es sich um ein rein XML-basiertes Datenformat, welches über ein separates Visualisierungstool abbildbar und so für das menschliche Auge lesbar ist. Dokumentation des Standards XRechnung in der jeweils aktuellen Version sowie weitere Informationen, Prüftools finden Sie online.
- Das ZUGFeRD-Format ist klassischerweise als hybride Datei ausgestaltet. D. h. die ZUGFeRD- Rechnung enthält eingebettet in der menschenlesbaren PDF/A-3-Datei ergänzend die maschinenlesbare XML-Datei, die eine medienbruchfreie Verarbeitung der Rechnungsdaten ermöglicht. Empfänger von hybriden ZUGFeRD Rechnungen haben somit die Möglichkeit, die PDF-Datei oder die strukturierten XML-Daten der Rechnung im Unternehmen zu verarbeiten. Die Daten der PDF-Datei und der XML-Datei bilden inhaltlich identische Mehrstücke derselben Rechnung.
3. Authentizität und Integrität sind zu gewährleisten
Für jede Rechnung (Papier und elektronisch) ist die Echtheit der Herkunft (»Authentizität«) und die Unversehrtheit des Inhalts (»Integrität«) zu gewährleisten. Authentizität und Integrität können durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren sichergestellt werden, das einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Leistung und Rechnung herstellt. Wie das Kontrollverfahren und der Prüfpfad im Detail auszugestalten sind, hat jeder Unternehmer selbst festzulegen. Grundsätzlich ist zu prüfen, ob durch die Rechnung eine Zahlungsverpflichtung entsteht. Insbesondere wird der Rechnungsempfänger im Rahmen einer Rechnungsprüfung etwa abgleichen, ob die Leistung in richtiger Art, Menge und Preis erbracht wurde und der Rechnungsaussteller einen Zahlungs- anspruch hat. Sämtliche Informationen, die der Rechnungsempfänger dabei zu Hilfe nimmt (Verträge, Bestelldokumente, Lieferscheine, usw.), können den verlässlichen Prüfpfad begründen.
4. Jede Rechnung muss lesbar sein
Die Lesbarkeit einer Rechnung ist gewährleistet, wenn die umsatzsteuerlichen Pflichtangaben für das menschliche Auge lesbar dargestellt werden können. Während Papierrechnungen diese Anforderungen unmittelbar erfüllen (hier steht z. B. »Rechnungsdatum 03.06.2020«), müssen bei elektronischen Rechnungen dafür geeignete Anzeigeprogramme eingesetzt werden (z. B. ein passender Viewer für PDF-Formate). Liegen Rechnungen in strukturierter Form vor, um eine maschinelle Weiterverarbeitung zu ermöglichen, so ist bei ihrer Darstellung eine eindeutige Zuordnung des jeweiligen Attributs zu seinem Inhalt erforderlich. Es muss also klar erkennbar sein, welchen Wert z. B. das Attribut »Rechnungsdatum« enthält. Auch hier kann ein geeigneter Viewer zum Einsatz kommen. Eine spezielle Anordnung der Inhalte ist nicht erforderlich, eine einfache Aufzählung genügt (z. B. »Rechnungsdatum = 03.06.2020«, »USt-IdNr. des Rechnungsausstellers = DE123456789«, usw.). Die Lesbarkeit muss über den gesamten Aufbewahrungszeit- raum gewährleistet sein, entsprechend müssen also auch geeignete Anzeigeprogramme über diesen Zeitraum vorgehalten werden.
5. Jede Rechnung muss die Pflichtangaben enthalten
Umsatzsteuerlich (insbesondere als eine der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug) muss jede Rechnung – egal ob in Papierform oder elektronisch – die gesetzlichen Pflichtangaben beinhalten. Zu den umsatzsteuerlichen Pflichtangaben gehören u. a. der vollständige Name samt Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers, das Ausstellungs- datum und die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände bzw. Art und Umfang der sonstigen Leistung (für die vollständigen Pflichtangaben siehe §§ 14 Abs. 4, 14a UStG).
6. Jede Rechnung muss aufbewahrt werden
Für Rechnungen gilt, dass dies aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht mindestens zehn Jahre unver- änderbar aufzubewahren ist (siehe dazu § 14b Abs. 1 UStG). Unveränderbarkeit ist gewährleistet, wenn jederzeit auf den Originalzustand geschlossen werden kann. Zur Unveränderbarkeit zählt damit auch, dass Rechnungen während der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nicht gelöscht oder vernichtet werden dürfen. Unveränderbarkeit kann durch ein Zusammenspiel von Organisation, Kontrollmechanismen, Hardware und Software im Unternehmen erreicht werden. Seit der am 28.11.2019 veröffentlichten Neufassung der GoBD ist es zudem erlaubt, elektronische Rechnungen in ein Inhouse-Format zu konvertieren und dieses statt dem Originalformat aufzubewahren, sofern insbesondere die maschinelle Auswertbarkeit und das Recht auf Datenzugriff der Finanzverwaltung nicht eingeschränkt wird. Zusätzlich bedarf es einer entsprechenden Verfahrensdokumentation.
7. Papierrechnungen dürfen digitalisiert werden
Steuerrecht und Handelsrecht gestatten im Grundsatz die Aufbewahrung von Unterlagen auf einem Bild- oder anderen Datenträger. Eingehende Papierrechnungen können daher unter bestimmten Voraussetzungen digitalisiert (bildlich erfasst) aufbewahrt werden. Dazu muss das Verfahren zur Digitalisierung von Papierrechnungen und deren Aufbewahrung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) bzw. den GoBD entsprechen. Die Bilddateien treten damit an die Stelle der ursprünglichen Papieroriginale. Nach dem Einscannen dürfen Papierdokumente vernichtet werden, soweit sie nicht nach außersteuerlichen oder steuerlichen Vorschriften im Original aufzubewahren sind. Insbesondere ist eine Organisationsanweisung zu empfehlen, die regelt, wer bildlich erfassen darf, zu welchem Zeitpunkt bildlich erfasst wird, welches Schriftgut bildlich erfasst wird, wie die Qualitätskontrolle erfolgt oder wie die Fehlerprotokollierung sicher gestellt wird.
Durch die einheitliche Begrifflichkeit »bildliches Erfassen« (statt bisher »Scannen«) wird auf Basis der Neufassung der GoBD auch aktuellen technischen Entwicklungen zum Fotografieren Rechnung getragen. Damit sind auch die notwendigen Rahmenbedingungen für ein mobiles Scannen mittels Smartphone und App gesetzt worden. Derartige Fotografien dürfen (trotz weiterhin bestehender Datenlokalisationsvorschriften wie § 146 Abs. 2 AO) auch im Ausland erstellt werden.
8. Die Vorgänge müssen nachvollziehbar sein (Dokumentation)
Im Rahmen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sowie der GoBD ist die Erstel- lung einer Verfahrensdokumentation für alle Geschäftsprozesse (insbesondere für die IT-gestützten) gefordert. Unter einer Verfahrensdokumentation versteht die Finanzverwaltung die Beschreibung des organisatorisch und technisch gewollten Verfahrens bei der Verarbeitung steuerlich relevanter Informationen. Dabei hat diese stets den in der Praxis eingesetzten Versio- nen des Datenverarbeitungssystems zu entsprechen, umgekehrt müssen die Inhalte einer Verfahrensdokumentation auch so wie beschrieben »gelebt werden«. In den Anwendungskreis eingeschlossen seit jeher sind Prozesse zur Rechnungsstellung und zum Rechnungsempfang (inkl. Rechnungsprüfung). Die hierfür individuellen Verfahren und Maßnahmen zu sind somit in einer angemessenen Verfahrensdokumentation zu hinterlegen, durch die die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit für einen externen Dritten sichergestellt wird. Als Orientierungshilfe für die Erstellung der notwendigen individuellen Verfahrensdokumentation hat die AWV eine passende Mustervorlage für die geordnete Belegablage erstellt. Alle Versionen der Verfahrens- dokumentation sind stets über den gesamten Aufbewahrungszeitraum hinweg vorzuhalten.
9. Digitalisierung und Archivierung im Ausland ist möglich
Besonderheiten aus steuerlicher Sicht gilt es insbesondere bei einer Auslagerung ins Ausland zu beachten. Gemäß § 146 Abs. 2 S. 1 AO sind Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen im Inland zu führen und aufzubewahren. Das Führen und Aufbewahren elektronischer Bücher, und sonstiger erforderlicher elektronsicher Aufzeichnungen darf (Wahlrecht) jedoch nach § 146 Abs. 2a, b AO auch ins Ausland verlagert werden. Hierbei ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob dies in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union oder in einem Drittstaat vorgenommen wird.
Der im Jahressteuergesetz 2020 neu gefasste § 146 Abs. 2a Satz 1 AO n.F. ermöglicht eine Verlagerung der Buchführung auch ohne gesonderten Antrag in einen anderen EU-Mitgliedsstaat. Sofern der Steuerpflichtige von diesem Wahlrecht Gebrauch macht, ist er dafür verantwortlich, dass der Datenzugriff weiterhin nach den entsprechenden steuerlichen Vorschriften sichergestellt ist.
Bei der Verlagerung in Drittstaaten gilt weiterhin die Antragsvoraussetzung beim zuständigen Finanzamt in schriftlicher oder elektronischer Form.
Eine Bewilligung setzt hierbei voraus, dass zum einen der Standort des Datenverarbeitungssystems und bei Beauftragung von Dritten dessen Name und Anschrift mitgeteilt wird, zum anderen die GoBD und damit einhergehend die Vorgaben zum Datenzugriff in vollem Umfang eingehalten werden.
Für Rechnungen existiert darüber hinaus eine Sonderregelung (§ 14b UStG). Demnach sind Rechnungen, die ein inländischer Unternehmer ausgestellt bzw. empfangen hat, grundsätzlich im Inland aufzubewahren. Eine elektronische Aufbewahrung dieser Rechnungen insbesondere im übrigen Gemeinschaftsgebiet setzt voraus, dass eine vollständige Fernabfrage (Online-Zugriff) der betreffenden Daten sowie deren Herunterladen und Verwendung gewährleistet ist.
Im Zusammenhang mit einer nach § 146 Abs. 2a AO stattfindenden Aufbewahrung elektronischer Rechnungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat bzw. einer nach § 146 Abs. 2b genehmigten Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Drittland dürfen Papierbelege ins Ausland verbracht und dort bildlich erfasst werden. Die bildliche Erfassung hat dabei zeitnah zur Ver- bringung ins Ausland zu erfolgen.
10. Elektronische Rechnungen unterliegen dem Recht auf Datenzugriff
Im Rahmen des Datenzugriffs der Finanzverwaltung kann ein Zugriff auf elektronisch gespeicherte Dokumente und Daten (insbesondere elektronische Rechnungen) gefordert werden. Dabei steht dem Betriebsprüfer die Möglichkeit offen, im Rahmen einer Volltextsuche elektronische Rechnungen zu recherchieren bzw. diese maschinell auszuwerten. Soweit die Prüfung im Rahmen einer sog. Umsatzsteuernachschau erfolgt, entfällt für die Unternehmen jegliche Vorlaufzeit – etwa zum Einrichten entsprechender Prüferberechtigungen – und der Datenzugriff muss unverzüglich, d. h. in angemessener Zeit zur Verfügung stehen.
Die Neufassung der GoBD bringen auch Erleichterungen für die Aufbewahrungsvorschriften bei Systemmigrationen. Sofern noch nicht mit der Außenprüfung begonnen wurde, ist es im Falle eines Systemwechsels oder einer Auslagerung von aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichti- gen Daten aus dem Produktivsystem ausreichend, wenn nach Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf die Umstellung folgt, nur noch der Z3-Zugriff (= Datenträgerbereitstellung) zur Verfügung gestellt wird.
Die vorliegenden Merksätze zur elektronischen Rechnung geben die persönliche Meinung der Autoren zur derzeitigen Rechtslage wieder und enthalten lediglich einen Überblick über einzelne Themenkomplexe. Spezielle Umstände einzelner Fallkonstellationen wurden nicht berücksichtigt; diese können durchaus zu abweichenden Betrachtungsweisen und/oder Ergebnissen führen. Die dargestellten Ausführungen können daher keine rechtliche oder steuerliche Beratung ersetzen; bitte holen Sie eine auf Ihre Umstände zugeschnittene, weitere Entwicklungen berücksichtigende Empfehlung Ihres Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers ein, bevor Sie Entscheidungen über die in diesen Ausführungen besprochenen Themen treffen. Die Finanzverwaltung und / oder Gerichte können abweichende Auffassungen zu den hier behandelten Themen haben oder entwickeln.